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Tunnel de la Clusette, Noiraigue

SNBS-Infrastruktur: ein Instrument der Nachhaltigkeit

Der neue Standard für nachhaltige Infrastrukturbauten, der SNBS Infrastruktur, wird bei der Sanierung eines Tunnels und dem Bau eines Sicherheitsstollens im Kanton Neuenburg erfolgreich angewendet. Mit ihm konnte gezeigt werden, wie mehrere konkrete Massnahmen die Nachhaltigkeit des Projekts erhöhen.

Die Kantonsstrasse von Neuenburg nach Les Verrières im Val-de-Travers führt auf der Höhe von Noiraigue durch einen rund einen Kilometer langen Tunnel. Dieser vor fast 50 Jahren erbaute "Tunnel de la Clusette" wies Schäden auf und entsprach nicht mehr den heutigen Sicherheitsanforderungen. Die Sanierungsarbeiten, die bis 2026 andauern werden, umfassen im Wesentlichen eine Instandsetzung des Tunnels, einschliesslich der Elektromechanik, sowie den Bau eines neuen Sicherheitsstollens.

Massnahmen für eine höhere Nachhaltigkeit

Um das Projekt möglichst nachhaltig auszuführen, entschied sich der Bauherr für die Anwendung des neuen Standards "SNBS-Infrastruktur" (siehe Kasten). Dank dessen systematischer Struktur und seines checklistenartigen Charakters erleichtert der Standard die Identifizierung von Synergien und Zielkonflikten, von Verbesserungspotenzialen und von Aspekten, die in späteren Projektphasen Schwierigkeiten bereiten könnten. Die so durchgeführte Projektanalyse ergab, dass die Nachhaltigkeit durch verschiedene Massnahmen verbessert werden kann, von denen die vier wichtigsten im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Multifunktionaler Sicherheitsstollen

Zum ersten Mal in der Schweiz wird ein Sicherheitsstollen dem Langsamverkehr zugänglich gemacht. Fussgänger im Gegenverkehr und Radfahrer bergauf profitieren von einer sicheren Passage. Die Verwendung des Standards ermöglichte es, die geplanten Massnahmen (Beschilderung, Videoüberwachung usw.) zu hinterfragen und gewisse unerwünschte Auswirkungen zu antizipieren. Darüber hinaus war es möglich, Lehren aus einem Sicherheitsstollen in Savoyen zu ziehen, der demselben Zweck dient.

Nutzung von Flächen zur Stromerzeugung

Am Ost- und Westportal werden Wände und/oder Dächer auf einer Fläche von über 2000 m2 mit Photovoltaikmodulen bestückt. Es wird mit einer jährlichen Stromproduktion von 253’000 kWh gerechnet, was 70 % des Bedarfs für den Betrieb des Tunnels decken dürfte.

Wiederverwendung von Abfällen

Rund 9000 m3, d.h. zwei Drittel des Ausbruchmaterials des Sicherheitsstollens, werden oberhalb von Noiraigue für den Bau von Dämmen zum Schutz des Wohngebiets vor Steinschlag wiederverwendet. Das restliche Drittel wird in Form von Schotter für den Stollen- und Tunnelkoffer verwendet. Diese Aufwertung vor Ort reduziert den Transportbedarf deutlich. Zudem werden die Schutznetze, die vorübergehend am Westportal zum Schutz des Baubereichs installiert wurden, von der Gemeinde Val-de-Travers als definitive Schutzanlage übernommen.

Förderung der Suffizienz

Zwei Sparmassnahmen zeichnen dieses Projekt aus. Zum einen wird auf die energieintensive mechanische Belüftung des Tunnels verzichtet. Das starke Gefälle des Tunnels erzeugt nämlich eine natürliche Luftzirkulation, die in Kombination mit dem neuen Fluchtstollen ein höheres Sicherheitsniveau als das bestehende bietet. Zum andern wird der für Wassereinbrüche anfällige Tunnel nicht vollständig in der höchsten Dichtigkeitsklasse saniert. Die Massnahme erlaubt es die Lebensdauer des Tunnels zu verlängern und gleichzeitig die Sanierungskosten, die CO2-Emissionen und den Energieverbrauch für die Bauarbeiten zu begrenzen.

Bewertung und Verbesserungspotenzial

Das gesamte Projekt wurde anhand der 75 Indikatoren des Standards bewertet. Einen Überblick über die Ergebnisse der Bewertung gibt die Spinnennetzgrafik, in der alle Nachhaltigkeitsthemen, ihre Bewertung im aktuellen Stadium des Projekts (Ist) und die angestrebte Bewertung nach der Fertigstellung (Soll) dargestellt sind. Das Verbesserungspotenzial ergibt sich aus der Differenz zwischen diesen beiden Bewertungen. Grundsätzlich muss die Bewertung in jeder Phase des Projekts wiederholt werden.

Die vom Standard vorgeschlagene Quantifizierung der CO2-Emissionen wurde für dieses Projekt durchgeführt. Die 8700 Tonnen CO2-Äquivalent +/- 25 %, die in der vorläufigen Bilanz erzielt wurden, entsprechen der Verbrennung von etwa 2,3 Millionen Litern Dieselkraftstoff (unter Berücksichtigung der direkten und indirekten Emissionen – Ziele 1, 2 und 3).

Die Verwendung des Standards setzt zwar eine Auseinandersetzung mit bisher wenig beachteten Aspekten voraus. Eine Umfrage unter den Teilnehmern zeigt jedoch, dass die Akzeptanz gross ist: Alle Befragten sind der Meinung, dass die Arbeit mit dem Standard einen Mehrwert bringt. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Teilnehmern sind jedoch wesentliche Voraussetzungen, da der Standard selbst nur ein Werkzeug und eine Inspirationsquelle ist, die von allen beteiligten Parteien zum Nutzen des Projekts eingesetzt werden muss.


Kriterienanalyse und Abbildungen (PDF, 815 KB)

 

Bauherrschaft

Kanton Neuenburg, Service des ponts et chaussées (Tiefbauamt)

Planung

Ingenierugemeinschaft BG Ingénieurs Conseils SA und OPAN concept SA.

Verantwortlich für die Anwendung des SNBS Infrastruktur

OPAN concept SA

Umweltingenieur

biol conseils SA

Ausführung des Sicherheitsstollens

Arge CNTL (Infratunnel, Bieri & Grisoni, Facchinetti und Bernasconi)

 

Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) Infrastruktur

Mit diesem praxisorientierten Instrument können Infrastrukturprojekte aller Art (Kommunikation, Mobilität, Sicherheit usw.) und jeden Typs (Neubau, Umbau, Sanierung ...) bewertet und verbessert werden. Anhand von 75 Indikatoren werden soziale, wirtschaftliche und ökologische Kriterien sowie transversale Themen in Bezug auf die Projektorganisation bewertet. Der Standard ist kostenlos (www.nnbs.ch/snbs-infrastruktur). Er schliesst die derzeitige Lücke im Bereich der Infrastruktur und unterstützt die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen.

 

Sanierung und Sicherung des Clusette-Tunnels in NE, Bild: OPAN concept
Das NNBS schafft eine klare Definition des nachhaltigen Bauens in der Schweiz und stellt hierfür Mess- und Steuerinstrumente zur Verfügung.

Neues aus der Standardwerkstatt

Was die Standards betrifft, laufen beim NNBS derzeit zwei wichtige Projekte: Die erneute Überarbeitung des SNBS Hochbau und die Entwicklung des neuen SNBS-Areals. Mittlerweile sind die Arbeiten so weit fortgeschritten, dass wir einen Überblick über den aktuellen Stand geben können. Sowohl der revidierte SNBS Hochbau als auch der Standard für Areale werden im Sommer 2023 für die Anwendung in der Praxis bereitstehen.

Pre-Check SNBS Hochbau neu mit «Klimafit-Modul»

Der Pre-Check zum SNBS Hochbau hat ein zusätzliches Modul erhalten, mit dem sich rasch prüfen lässt, wie klimagerecht ein Bauvorhaben ist. Dabei wird ermittelt, inwiefern das Gebäude auf das Klima der Zukunft vorbereitet ist und ob es einen Beitrag zur Minderung des Klimawandels leistet. Dieser Klimafit-Check versteht sich als fakultative Erweiterung, die auch eigenständig genutzt werden kann. Die Nutzenden können also entscheiden, ob sie nur den Pre-Check oder nur den Klimafit-Check oder beides zusammen im selben Durchlauf bearbeiten wollen.

Wie bisher kann der Pre-Check kostenlos als Excel-Datei kostenlos von unserem Shop herunterladen werden.

Broschüre «Landkarte Standards und Labels des nachhaltigen Bauens»

Das NNBS präsentiert in einer neuen Broschüre eine Übersicht über Standards und Labels, die in der Schweiz für das nachhaltigen Bauen relevant sind. Dazu gehören nationale Angebote wie Minergie, SNBS, 2000-Watt-Areal oder SméO, aber auch internationale wie BREEAM, LEED oder WELL. Die Publikation dokumentiert die Schwerpunkte dieser Standards und zeigt, wie umfangreich sie die Nachhaltigkeit abdecken. Ebenfalls verglichen werden beispielsweise der Anwendungsbereich bezüglich Gebäudetypen und Nutzungen oder die Abdeckung in den SIA-Phasen. Zudem liefern Faktenblätter zu jedem Standard detaillierte Informationen in kompakter Form. Die Broschüre soll Bauherrschaften, Investorinnen, Entwicklern und Planerinnen helfen, den passenden Standard oder das passende Label für Bauvorhaben zu finden.

 

Das NNBS stärkt die Zusammenarbeit von Wirtschaft, öffentlicher Hand, Bildung, Politik und Wissenschaft.

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